Wieso man Kinder nicht in Geschlechterrollen drängen sollte

13. Januar 2017

„Jungs weinen nicht.“ oder „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ – die typischen Sprüche die uns schon als Kind eingetrichtert wurden, bringen mich in unserer heutigen Zeit zum Kochen. Mädchen sind keine richtigen Mädchen, wenn sie mit Autos spielen und kleine Jungs werden homosexuell sobald sie den Lippenstift ihrer Mutter ausprobieren wollen. Wieso ich das für Quatsch halte? Lest selbst.

 

Schon im Bauch auf das Geschlecht getrimmt

Sobald man das Geschlecht des kleinen Bauchbewohners erfährt, geht für die meisten der wilde Shoppingwahnsinn erst richtig los. Mädchen bekommen ausschließlich alles in rosa, creme und weiß und Jungs dürfen gerne grün, blau und grau tragen. Die selbe Farbwahl lässt sich eins zu eins im Kinderzimmer wiederfinden und sogar das Babyspielzeug und Hygieneartikel sind auf das spätere Rollenbild getrimmt. Wir Eltern entscheiden, ab der ersten Sekunde, in welche Richtung unsere Kinder gedrängt werden, gerade weil wir es doch auch gar nicht anders kennen.

 

Babies erste eigene Spielzeug-Entscheidung

Von zu Hause aus oder den Medien werden wir beeinflusst – das rosa Überraschungsei da, der coole Junge mit den Hot Wheels hier und das bezaubernde Mädchen mit den Barbies dort. Auch für mich war es schwer von diesen tief verankerten Gedanken frei zu kommen. Mädchen werden schon von Beginn an zu Müttern, Tierärztinnen oder Prinzessinnen erzogen. Sie kümmern sich um Babies und um die Schönheit ihrer Puppen. Ihnen wird früh suggeriert, dass es für sie nichts besseres gibt als Mutter zu werden oder gut auszusehen. Jungs hingegen? Sie sind stark und lieben Autos. Ihnen steht die Welt offen aber bitte keine Gefühle zeigen. Sie sind Feuerwehrmänner und spielen ausschließlich mit ihrer Werkbank.

Ich weiß noch ganz genau als ich bei Amazon das erste mal eine rosa Kitty Surprise und einen blauen Puppy Surprise bestellt habe. Beide waren noch eingepackt und ich habe sie nebeneinander gelegt. A. konnte zu dem Zeitpunkt gerade erst krabblen und sollte seinen Liebling ohne meinen Einfluss selbst wählen. Ihr könnt Euch natürlich denken welche der beiden sein Herz erobert hat: natürlich das rosa Kätzchen. Damit habe ich nicht gerechnet, habe ihm jedoch die Entscheidung überlassen.

Bevor mein Sohn selbst entscheiden konnte, kauften wir fleißig Tut Tut Babyflitzer, denn ein Junge braucht Autos. Wir kauften massenhafte Schleich Dinosaurier und sogar Stofftiere mussten männlich sein. Natürlich mag A. seine Brumm Brumms und seine Dinosaurier aber wen er wirklich liebt? Nichts geht über seine Katzen.

 

Nachahmung jeglicher Vorbilder

Nicht nur Bewegungen, Sprache und Charakter, schauen sich die kleinen geschlechtsneutral ab sondern auch alles andere, was Mama und Papa machen. Als A. vor einigen Monaten gelernt hat, seine ersten Schritte zu machen, blieb nichts vor ihm sicher. Eines Tages war es mehrere Minuten ziemlich ruhig und wie Ihr wisst kann das bei Kindern meist nichts gutes heißen. Also guckte ich um die Ecke und wer saß dort vor dem Spiegel und legte Lippenstift auf? – Genau mein kleiner Junge. Von da an war er Make-Up verrückt. Sobald er irgendwo einen Lippenstift oder Labello gesehen hat, musste dieser aufgemacht und benutzt werden. Am süßesten waren jedoch seine Versteckversuche vom Nagellack: ich selbst nutze so gut wie nie Nagellack und trotzdem fand A. die Flaschen so toll und interessant, dass er sie für sich horten musste. Selbst einen Fingernagel musste ich ihm lackieren, damit er glücklich war.

Aber ich lasse ihn machen, wen interessiert es denn heute noch wer Nagellack oder Lippenstift trägt? So kleine Menschen brauchen diese Freiheiten um sich selbst zu finden. Wird er deswegen später einmal homosexuell, weil ich ihm als Mutter Spielraum zur Entfaltung gegeben habe? Nein und wenn doch, liegt es sicherlich nicht an Spielzeug und Make-Up. Außerdem sollte die Sexualität eines Menschen keine Rolle spielen.

 

Kinder nicht in Rollen zwängen

Jungs haben Fußball zu spielen und Mädchen gehen reiten – meine beiden absoluten Lieblingsklischees. Sollte nicht jeder Mensch einfach das tun was ihm Spaß macht? Klar sollte das jeder, sagen die meisten jetzt, aber wenn man mal überlegt was die meisten sagen, wenn sie hören das ein Mann Tänzer ist oder eine Frau Fußball spielt, merkt man recht schnell das da sehr engstirnige Rollenbilder dahinterstecken. Ich denke auch im Bereich der Hobbies sollte das Geschlecht einfach keine Rolle spielen. Jeder muss tun dürfen was er für richtig hält. Das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit haben sich Generationen unserer Vorfahren hart erkämpft.

Mädchen müssen nicht brav und leise sein und Jungs nicht aufmüpfig und wild. Jeder Mensch hat seinen eigenen Charakter, sogar kleine Kinder. Ein Grund, dass man sich niemals auf ein Geschlecht fixieren sollte. Vielleicht ist der Junge den man bekommt viel liebevoller und sanfter als jedes Mädchen. Oder das Mädchen viel mutiger und robuster als jeder Junge.

Mädchen müssen liebevoller erzogen werden als Jungen

Traurig wird es aber erst wenn wir uns von Spielzeug und Hobbies weg bewegen und uns mit dem Umgang mit Kindern befassen. Für mich ist die Aussage, dass Jungs nicht weinen dürfen einfach schrecklich. Von kleinen Jungs wird schon früh erwartet, dass Gefühle zeigen nur etwas für Mädchen ist, Jungs müssen stark bleiben, nur so werden sie zu echten Männern. Nicht nur psychisch werden kleine Kinder dazu bewegt, in eine Geschlechterrolle gedrängt zu werden sondern auch physisch. Jungs müssen weniger gekuschelt und gestillt werden, Jungs sollen schreien gelassen werden und mit ins eigene Bett kommen sie schon gar nicht – was soll denn bloß aus diesen Jungs später für Mimosen werden.

Jungs brauchen genauso Küsse und Kuscheleinheiten wie kleine Mädchen – von der Mutter und vom Vater. Zum Glück hat sich die neue Generation von Vätern bereits zum Teil geändert, trotzdem schwirrt in vielen Männerköpfen immer noch das perfekte Bild vom Sohn im Kopf herum. Der darf nicht weinen, muss Fußball spielen und keine Zärtlichkeiten austauschen. Auch wenn die Kinder noch viel zu klein sind, um überhaupt zu Verstehen warum ein bestimmtes, gesellschaftlich gebilligtes Verhalten von ihnen erwartet wird, werden sie immer wieder in diese Ecken getrieben.

 

Unsere Kinder müssen im Vordergrund stehen

Mein Sohn entscheidet wer er sein will und nicht ich. Will er rosa tragen anstatt blau, dann wird er rosa tragen. Wenn er lackierte Nägel haben möchte, dann werden seine Nägel lackiert. Sind Katzen und Puppen seine Lieblinge, anstatt Autos und Superhelden, ja dann wird er mit kleinen Katzenstofftieren spielen. Genauso sollte es mit Mädchen sein, die Wünsche der Kinder zählen und nicht unsere verankerten Rollenbilder.

Wir sollten unsere Kinder immer unterstützen und aufbauen, egal wie schief andere einen anschauen oder darüber urteilen. Das Wichtigste ist es unsere Kinder zu selbstbewussten und glücklichen Menschen zu erziehen und sie nicht zu frustrieren und ihnen zu verbieten wer sie wirklich sind – freie Individuen, frei jeglicher gesellschaftlich vorgegebener Rollenbilder. Denn Charaktereigenschaften sind nicht genetisch bedingt, sondern gesellschaftlich und von Kultur zu Kultur unterschiedlich.

Also lasst uns die Grenzen für unsere Kinder brechen. Auch ein Mädchen sollte Superhelden-Duschgel nutzen und kleine Jungs Disney-Prinzessinen-Zahnbürsten haben dürfen – unsere Kinder sollen die Wahl haben alles zu werden was sie möchten und dies fern von Geschlechterrollen.

 

Wie handhabt Ihr das, dürfen Eure Kinder sein wer sie wollen und Spielzeug nutzen welches ihnen gefällt? Ich freue mich über Eure Kommentare!

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11 Gedanken zu „Wieso man Kinder nicht in Geschlechterrollen drängen sollte“

  1. Tina sagt:

    Hm, vielleicht ein bisserl drastisch geschrieben. Also ich glaube die Zeiten, dass man der Meinung ist, dass Jungs nicht weinen dürfen und Mädchen gehorsam sein sollen, sind vorbei. Das war vllt. in den 50ern so. Ich glaube, Jungs – oder auch Männer – durften ihre weiche Seite noch nie so ausleben wie heute. Und auch Mädchen dürfen stark sein.
    Aus kommerzieller Sicht sieht es allerdings anders aus, da gebe ich dir recht. Ich war damals auf der Suche nach einem Spielhaus für unseren Sohn und hatte mich dann etwas geärgert, warum es das Familienhaus von Lego Duplo nur noch in rosa gab. Oder auch das große Playmobilhaus: warum ist das rosa? Jungs spielen auch gerne Familie. Durch die rosa Farbe wird aber schon suggeriert, dass es eigentlich nur für Mädchen gedacht ist. Ich selbst mag rosa nicht. Und Glitzer schon gar nicht. Deswegen versuche ich das für meine Tochter wo es geht zu vermeiden. Aber da geht es jetzt schon los: „Ich will nicht die blaue Hose! Ich will eine hübsche Hose!“ Damit ist die mit den Blümchen gemeint. Obwohl wir es unseren Kindern jetzt nicht so vorleben … meine ich … sind unsere zwei so dermaßen gendertypisch … Er mag schon immer nur blau und grün und grau und spielt am liebsten Polizei, Feuerwehr, Zug, Dinosaurier und baut unendlich mit Lego. Und sie liebt rosa, lila, Glitzer und spielt am liebsten Prinzessin, bastelt und malt und tanzt. Also zumindest bei ihr bin ich mir sicher, dass ich ihr nichts aufdrücke. Und dadurch dass der Größere ein Bub ist, ist ja auch alles eher auf Jungs eingestellt gewesen hier. Und ich bin jetzt eben auch keine, die sich aus Freude über ein Mädel gleich mit Rüschenkleidchen und Barbiepuppen eingedeckt hat. Charakterlich sind sie sehr unterschiedlich. Da ist es so, dass er eher der sensible Kerl ist und sie ist die sture Mistmatz.
    Ich finde es spannend, wie sie sich entwickeln. Alles kann man als Eltern nicht beeinflussen. Spätestens wenn sie ein die KiTa kommen, geht’s los mit Elsa & Co.
    LG, Tina

  2. Janina sagt:

    Ein wirklich großartiger Beitrag ?❤

    1. Laura sagt:

      Danke meine Liebe Janina <3

  3. Kristin Gesche sagt:

    Kinder sollten selbst entscheiden womit sie spielen möchten,
    Es ist doch wirklich völlig egal ob Mädels mit Matchbox Autos spielen oder Jungs mit Puppen.
    Das ist meine Meinung.
    Ich habe zwar einen reinen Mädels Haushlat aber meine zweit jüngste Amelie ( 5 Jahre alt ) ist auch ein kleiner Rabauke.
    Sie spiel lieber mit Autos, Dinos und und und als mit Barbie oder Baby Born.
    Finde ich garnicht schlimm, warum auch 🙂

    Liebe Grüße und Danke für den tollen Bericht.

  4. Lama sagt:

    Danke dir für diesen Beitrag! Sehr genau meine Meinung und macht dich gleich noch ein Stück sympathischer! Ich mag auf deinem Blog vor allem die still Portraits und freue mich schon drauf hier weiter zu stöbern!

  5. Rantje sagt:

    Hi laura!
    Wow…schwieriges Thema…? Grundsätzlich würde ich dir spontan bei deinen Ansätzen total zustimmen. Jedes Kind sollte mit den Sachen spielen, mit denen es möchte. Ich muss aber ehrlich gesagt gestehen, dass ich mich glaube ich nicht komplett davon freisprechen kann, dass ich geschlechtsspezifisch Spielsachen kaufe. Wenn nur ich aussuche, würde ich tatsächlich wahrscheinlich eher zum Auto als zur Puppe greifen. Schon seltsam, wie das in einem drin ist. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich allgemein eher geschlechtsneutrale Sachen kaufe und z.b. von der glitzernden barbie Welt nicht sonderlich viel halte und auch nicht unbedingt kaufen wollen würde, wenn ich eine Tochter hätte. Wenn mein kleiner aber später entscheiden würde, dass er z.b. eine Puppe möchte, würde ich überhaupt nicht gegensteuern. Bereits jetzt befinden sich z.b. ein kleiner staubsauger und ein Besen in seinem Besitz. Denn nicht nur Mädchen putzen. ☺außerdem besitzt der kleine Herr eine Zahnbürste mit lillifee drauf. Das war zwar ursprünglich ein kauf der aus Versehen passierte, aber seitdem klappt das Zähneputzen lustigerweise besser. Von daher sehe ich da keine Probleme.
    Liebe grüße!

  6. Chaospony sagt:

    Ich bin da voll und ganz bei dir! Mein Mädchen darf ebenfalls frei wählen, mit was sie spielen möchte und auch was sie anziehen mag.Pink-Glitzer-irgendwas ist dabei genauso angesagt wie Power-Rangers-Plastikmesser, Elsa ebenso wie BB-8. Leider bin ich damit so ziemlich die einzige in meinem Umfeld, die das so sieht. Das fängt beim Kauf einer neuen Brotdose an (Kind sucht sich eine schwarze mit Stormtroopern aus, Oma fragt, ob es nicht doch lieber die pinke mit Prinzessin sein soll), über den Schuh-Kauf (Verkäuferin stellt drei paar rosa Schuhe vor und erklärt dann, der Rest wäre nur(!) für Jungs) bis hin zu unbedachten Kommentaren befeundeter Muttis wie „Liebes, du hast ja endlich mal ein rosa Kleid an, das sieht so süß aus! Viel besser als das Jungs-Zeug sonst!“. Ich könnte da ganze Romane drüber schreiben.
    ABER ich geben die Hoffnung nicht auf. 🙂 Irgendwann kommt die Zeit, in der auch Jungs Röcke tragen können ohne blöd angeguckt zu werden – denn irgendwann haben auch die Mädchen mal angefangen, Hosen anzuziehen. 😉

    Liebe Grüße!

  7. Ein sehr toller Beitrag – und eine noch tollere Einstellung! Ich persönlich finde ja auch: dem sog. „Gender-Wahn“ sind eigentlich die verfallen, die Jungs unter Umständen in die blaue, Mädchen in die rosa Kiste einsperren wollen.

    „Mein Sohn entscheidet wer er sein will und nicht ich.“ Was für ein großartiger Satz! Ob jetzt mit Bezug auf die Geschlechterrollen oder jedes andere Thema, ist das genau der entscheidende Punkt.

    1. Laura sagt:

      Danke für Deine Worte!

  8. Ina sagt:

    Danke für diesen Artikel. Ich schreibe aktuell an meiner Hausarbeit über Geschlechterrollen in der Kindheit und habe deinem Artikel einige Anregungen entnehmen können 🙂

  9. Britta sagt:

    Mein Sohn wird ab nächstem Monat einmal die Woche mit der Tagesmutter reiten gehen. Bei seiner Oma spielt er am liebsten mit meiner alten Puppe und dem Puppenwagen. Er kuschelt mit mir, wenn er mag und tobt, wenn er will. Er darf alles tun und haben, was sein Herz begehrt, solange davon keine ernsthafte Gefahr ausgeht.
    Ich wünsche mir für ihn, dass er glücklich groß wird und frei seine Entscheidungen treffen wird. Will er Tänzer werden? Toll! Will er Bauarbeiter werden? Toll! Friseur, Regisseur, Sänger, Tischler, Mechaniker? Ich werde ihn unterstützen. Nur eins soll er nicht werden: engstirnig.

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